
Duccio Tessari
I-E 1965
DVD (Koch Media, Deutschland), Scope, OmU
***1/2

1965 war der Western all’italiana als kommerziell erfolgreiches Genre noch jung: Im August 1964 war Sergio Leones PER UN PUGNO DI DOLLARI (FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR) in die Kinos gekommen, hatte sich zum Sleeper des Jahres entwickelt und wurde schließlich zu einem der erfolgreichsten Filme des italienischen Nachkriegskinos überhaupt. Tessari, der ungenannt am Drehbuch von Leones Western mitgearbeitet hatte, erhielt bald die Möglichkeit, selbst einen Western zu inszenieren, eben der vorliegende UNA PISTOLA PER RINGO, dem er noch im gleichen Jahr mit IL RITORNO DI RINGO (RINGOS RÜCKKEHR, I-E 1965) eine Variation der Odyssee im Gewand des Italowestern nachfolgen ließ.
Trotz einiger Ähnlichkeiten zu dem ersten Eastwood/Leone-Projekt weicht Tessari deutlich von Leones Vorgabe ab. Sein Held, Giuliano Gemma als Ringo bzw. Angelface (die Titelsequenz kündigt ihn noch unter seinem amerikanisierten Pseudonym Montgomery Wood an), ist eine leichte, ironische Variante des gewalttätigen Eastwood/Leone-Helden. Wir lernen Ringo kennen, als er vor einer Gruppe von Kindern Himmel & Hölle spielt, die Variation eines auf Schulhöfen weit verbreiteten Hüpfspiels. Im Gegensatz zum Eastwood’schen Killer ist er sauber und adrett; ein Kind-Mann, der oft grinst, Milch statt Whiskey trinkt und das Töten als Spiel betrachtet. Wenn der blonde, glattrasierte Angelface spricht, dann fast ausschließlich in Sprichwörtern und ironischen Lebensweisen (etwa: „God created all men equal... but the six gun made them different”). Bisweilen wirkt dieser Trickster wie eine Vorwegnahme der Trinità-Figur, die Terence Hill später bei Enzo Barboni entwickeln sollte. Aber im Gegensatz zu den Bud Spencer/Terence Hill-Komikwestern wird hier noch viel geschossen und gestorben, auch wenn die Action besonders zu Beginn eher zäh inszeniert wirkt, mit Anschlussfehlern und nur wenig Dynamik. Gerade die „kreativen“ Mordmethoden des Schurken (Fernando Sancho) dürften wohl dafür verantwortlich sein, dass der eigentlich harmlose Film bis heute keine Jugendfreigabe erhalten hat: Die bad guys spielen mit ihren Geiseln Russisches Roulette, sie erschießen sie wie Tontauben, während sie mit einem Spiegel zielen oder reihen sie im Kreis um einen Tisch auf, auf den dann ein geladener Revolver geworfen wird. Das sind Momente, denen wir im amerikanischen Western zu dieser Zeit nie begegnen.

In Bezug auf das Tempo orientiert sich Tessari an den Pepla, den Sandalenfilmen, für die er in den frühen 60er Jahren viele Drehbücher verfasst hat. In der italienischen Filmzeitschrift Cineforum erläuterte er später seine Regeln für diese Formelfilme: "Much smoke and fire should be used: a brazier, a burning tent, or a flaming spear are worth more than any dialogue." Ähnlich verfährt er auch hier: Möglichst viel action, möglichst wenig Psychologie – Genrekino als Bewegung um ihrer selbst willen; motion als emotion. Folglich darf Gemma, der seine Filmkarriere als Stuntman begonnen hat, hüpfen und springen, tänzeln und taumeln; der Held als Nachfahre der Zirkusakrobaten.
Besonders in Erinnerung bleiben die Sequenzen in der von den mexikanischen Banditen heimgesuchten Farm (der Hauptschauplatz des Films). Tessari nutzt sie, um die Klassenkonflikte zwischen den Besetzern und den bourgeoisen Besitzern auszuspielen. Die Weihnachtsfeier, bei der die Banditen dann mit ihren Geiseln Champagner trinken und schließlich „Stille Nacht“ singen, bevor sie das Mobiliar zerlegen, erinnert in ihrem surrealen Humor fast an Buñuels Filme.

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