Donnerstag, 26. März 2009

Grumpy Old Man: Clint Eastwoods GRAN TORINO


gran torino – USA 2008 – Regie: Clint Eastwood – Drehbuch: Nick Schenk – Produzenten: Clint Eastwood, Bill Gerber, Robert Lorenz – Kamera: Tom Stern – Schnitt: Joel Cox, Gary Roach – Musik: Kyle Eastwood, Michael Stevens – Darsteller: Clint Eastwood (Walt Kowalski), Christopher Carley (Father Janovich), Bee Vang (Thao Vang Lor), Ahney Her (Sue Lor), Brian Haley (Mitch Kowalski) u. a. – Format: Panavision – Länge: 116 min. – Verleih (D): Warner Bros., ab 26.2.2009.


Clint Eastwood, der große alte Mann des US-amerikanischen Kinos, ist mittlerweile 78 Jahre alt, aber, die Floskel sei erlaubt, kein bisschen müde. Wie schon vor drei Jahren mit seinem Diptychon flags of our fathers und letters from iwo jima, hat er mit changeling („Der fremde Sohn“) und gran torino wieder fast zeitgleich zwei Filme in die US-amerikanischen Kinos gebracht, der erste wie zuvor flags eine Großproduktion, der zweite wie letters mit eher moderatem Budget schnell abgedreht, so etwas wie der kleine Bruder des aufwändigen Vorgängers. In beiden Fällen geht es auch hier um Amerika, genauer: um ein historisches Amerika. Denn selbst wenn gran torino im Gegensatz zu den anderen drei Filmen in der Gegenwart angesiedelt ist, so setzt sich Eastwood hier selbst als Historicum ein.


Tatsächlich haftet jeder Performance Eastwoods in den letzten Jahren immer auch der Beigeschmack eines Abschieds an, denn je älter der Actor/Director Eastwood wird, desto wahrscheinlicher wird es ja auch, dass das Werk, das wir im Kino sehen, Eastwoods letzter Film sein könnte. Wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass der Mann mit dem unversehrbaren Körper, den wir aus dirty harry (1971), the gauntlet („Der Mann, der niemals aufgibt“; 1977) und unforgiven („Erbarmungslos“; 1992) kennen, irgendwann vielleicht für immer abtritt. gran torino thematisiert dies überdeutlich: der schwache Körper, das Alter, die Einsamkeit, das Angewiesensein auf Andere und, natürlich, am Ende des Films dann: der eigene Tod. In frühen Abschnitten von Eastwoods Karriere war es fast undenkbar, dass der Star Eastwood, diese „American Icon“ (Georg Seeßlen), in einem seiner Filme sterben könnte. Und wenn ihn dieses Schicksal dann doch ereilte, in Ausnahmewerken wie Don Siegels boshaft-meisterlichem the beguiled („Betrogen“; 1971) etwa oder Eastwoods eigenem honkytonk man (1982), dann waren diese Filme meist kommerzielle Flops. In gran torino nun geht er am Ende von uns, in einem Selbstopfer zudem: das letzte Bild Eastwoods zeigt ihn in Kreuzigungspose am Boden, das Blut an den Handgelenken gemahnt deutlich an Stigmata.


Alle von Eastwoods jüngeren Filmen, insbesondere die mit ihm selbst in der Hauptrolle, waren auch als Revisionen der frühen Star-Persona angelegt, die zunächst bei Sergio Leone entwickelt wurde und dann bei Don Siegel und in Eastwoods eigenen Regiearbeiten variiert und transformiert wurde. unforgiven etwa war die Kritik und Verwerfung der „Mann ohne Namen“-Persona der frühen (Italo-)Western. flags of our fathers und letters from iwo jima unterzogen die ersten Kriegsfilme einer Neubewertung und Umwertung. gran torino nun ist der explizite Kommentar zum Callahan-Charakter der dirty harry-Filme: Das späte Eingeständnis, dass die Figur trotz aller dramaturgischen Konstruktionen der Serie, die den Barfuß-Polizisten Callahan regelmäßig mit ethnischen Partnern und buddies zusammenbrachte, im Kern doch ein Rassist und ein bigotter Bürgerlicher war; ein potentieller Amokläufer, bestenfalls reformierbar, etwa im Alter, aber in seiner Grundnatur antisozial.


Tatsächlich ist der Rassismus von Eastwoods Walt Kowalski in gran torino bisweilen nur schwer zu ertragen. Das liegt vor allem darin begründet, dass kaum eine der Figuren um ihn herum diesen überhaupt zu registrieren scheint, was um so paradoxer ist, da das Amerika von gran torino nahezu ausschließlich von Einwanderern und Minderheiten bevölkert zu sein scheint; insbesondere von Hmong und Afroamerikanern. Doch selbst Eastwoods Kowalski ist polnischer Abstammung und sein Friseur, mit dem er sich seit Jahrzehnten routiniert um das obligatorische Trinkgeld kabbelt, von italienischer Herkunft. Vielleicht will Eastwood uns sagen, dass Rassismus in den Vereinigten Staaten so allgegenwärtig ist, dass er kaum noch wahrgenommen wird, noch nicht einmal von den Betroffenen. Eher aber ist dies eine weitere explizit „politisch unkorrekte“ Spitze gegen Spike Lee, soll bedeuten, dass es nicht auf die verletzenden Worte selbst ankommt, sondern auf das Handeln eines Individuums.


Mehrfach spielt Eastwood in gran torino auch offensiv auf dirty harry (1971) und seine Fortsetzungen an, etwa wenn er seine Figur ein paar afroamerikanischen bullies entgegentreten lässt, zunächst mit zynischen one-liners, dann auch mit der automatischen Pistole. Jeden Moment erwartet man hier das gezischte „Come on, make my day!“, oder das ikonische „Do you feel lucky, well do you, punk?“ Wie Callahan ist Eastwoods Walt Kowalski ein Menschenfeind, verbittert und seiner Familie entfremdet, die ein Amerika repräsentiert, das bestenfalls zu einer Karikatur öder WASP-Selbstgefälligkeit verkommen ist. Schon in der ersten Sequenz des Films, dem Begräbnis von Kowalskis Frau, kneift Eastwoods seine Augen wie zu Schießscharten zusammen, die schmalen Lippen aufeinander gepresst; gegenüber dem jungen Priester und den eigenen respektlosen Enkeln entfährt dem Mann nur noch ein heiseres Knurren. Ein alter Kettenhund, verbittert und verbiestert, zerfressen von Wut und Selbsthass. Die einzige Reaktion auf die Umwelt: die Mundwinkel angeekelt nach unten verziehen, verachtungsvoll Kautabak ausspeien, wie ein Panzer durch den Raum voller Menschen walzen, dabei jeden aus dem Weg schieben, am besten noch auf Füße treten. Später im Film wird er mit seinen blanken Fäusten die eigene Küche zerlegen, bis die Knöchel bluten. Hier inszeniert der Regisseur Eastwood mit sich selbst ein letztes verzweifelndes Aufheulen des alten Körpers: ungelenk die Bewegungen, abrupt und ruckartig, ohne die Choreografie des die Gewalt ausübenden und zelebrierenden Eastwood-Körperpanzers, die das Frühwerk prägte, in dem Eastwood selbst immer das Zentrum der Einstellungen war oder sie zumindest dominierte. Grazie und Kontrolle sind jetzt dahin, dem Bild ist das Zentrum abhanden gekommen, Selbstzerstörung bricht sich unter der Oberfläche Bahn. Nach dem Ausbruch sitzt Kowalski in dem in Dunkelheit versinkenden Wohnzimmer, die Schlagschatten zerreißen sein Gesicht in zwei Hälften – fast schon ein Klischee, aber auch ein weiteres Zitat der eigenen Karriere und der Tendenz zum low-key, der die Zusammenarbeiten mit Kameramännern wie Jack N. Green und Bruce Surtees prägte. Dann rinnt – tatsächlich – eine Träne das zerfurchte Gesicht hinab. Ein Point of no Return ist erreicht. Der alte Mann geht noch einmal zum Friseur, lässt sich einen neuen Haarschnitt verpassen, gibt erstmals in seinem Leben tip, besorgt sich den ersten Maßanzug seines Lebens und setzt sich dann an den Küchentisch, um seine Waffen aus dem Koreakrieg zu reinigen. Wozu das alles, das ist klar: für die eigene Beerdigung. Die Ritualisierung der Handlungen und ihr soldatischer Charakter bereiten uns auf einen letzten Gewaltausbruch vor. Wir erinnern uns: „Eastwood has to deliver death“, schrieb die unversöhnliche Pauline Kael einmal über den Schauspieler Eastwood. Doch auch dies läuft nun ins Leere. Die Zeiten von dirty harry sind lange vorbei, auch die von heartbreak ridge (1986), in dem es die Lektion der väterlichen/soldatischen Eastwood-Persona war, seinen „Kindern“ das Töten beizubringen. Hier bleibt nur noch das Selbstopfer als Versuch, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen, der wiederum vom gewalttätigen Agieren seines Protagonisten zuvor heraufbeschworen wurde. Damit kommt etwas endgültig zum Abschluss, das spätestens unforgiven in Eastwoods Œuvre verankerte: Die Absage an die Gewalt, ohne dabei die Faszination der sie begleitenden Rituale gänzlich zu verleugnen. Doch auch hier darf Eastwoods Koreaveteran noch ein letztes Mal, trotz aller Schwäche und Gebrechen, die Stärke des alten Körpers in einer Sequenz nachhaltig demonstrieren, wenn er wie in heartbreak ridge einen jüngeren, bulligeren Gegner zusammendrischt.


Es ist ein herrliches Gefühl, Eastwood endlich wieder einmal vor der Kamera agieren zu sehen. gran torino allerdings ist kein Meisterwerk geworden. Zu forciert wirkt die Annäherung des bösen alten Mannes an seine neuen Nachbarn, vieles ist überspitzt und unausgearbeitet; irritierend bleibt doch, wie alle Minderheiten dieses Films über ihre konstante Diskriminierung durch den Protagonisten hinwegsehen. Das Ende selbst ist auch ein wenig unglaubwürdig. In den USA wurde der Film jedoch ein Überraschungserfolg und hat bislang über 140 Millionen Dollar eingespielt. Vielleicht liegt der Erfolg auch darin begründet, dass dies die letzte Möglichkeit sein könnte, die American Icon Eastwood noch einmal auf der großen Leinwand zu sehen, und entsprechend viele die Möglichkeit ergreifen wollen, Abschied von dem Schauspieler Eastwood zu nehmen, der seit über 40 Jahren ebenso erfolgreich wie stoisch seinen Weg geht. Mit ein wenig Glück wird sich Eastwood vielleicht in den nächsten Jahren doch noch einmal selbst auf der Leinwand inszenieren, dann hoffentlich wie in million dollar baby (2004) auch mit einem stärkeren Plot und einer Dramaturgie, die ein stärkeres Gegengewicht zu der eigenen Performance zulässt. Für Nebenrollen und Cameos allerdings wird Eastwood wohl kaum zu haben sein. Das hat er seit 1964, seit Leones per un pugno di dollari ("Für eine Handvoll Dollar"), erfolgreich hinter sich gelassen.


Freitag, 20. März 2009

My own private Filmkanon ...


Eigentlich ist jeder Versuch der Kanonisierung der Filmgeschichte zum Scheitern verurteilt – und das ist wohl auch gut so. Wer will schon vorschreiben, welche zehn, 50, 100 oder meinethalben 1000 Filme unverzichtbar sind und den Grundstock unserer Filmkultur bilden? Oder die eigenen persönlichen Vorlieben (und nicht zu vergessen: Kenntnisse) für immer zementieren? Ist es nicht so, dass das, was gestern gefiel, morgen abgeschmackt sein könnte? Ein ursprünglich prägender Einfluss: heute passé; oder: die gewagte Neuerung von vor wenigen Jahren: die Bildungslücke von Morgen? Wirklich problematisch wird es, wenn Worte wie „Bildung“, „Bedeutung“ und „Filmerbe“ ins Spiel kommen, in Wirklichkeit jedoch nur etwas ausgedrückt wird, das doch lediglich den persönlichen Geschmack zu einem bestimmten Zeitpunkt belegt – oder wahlweise, je nach Standpunkt oder im Rückblick: die eigene Ignoranz oder Vergesslichkeit zu höheren Weihen zu erheben sucht ...


Die meisten akademischen Kanonisierungen der Filmgeschichte sind in diesem Sinn tatsächlich eher Zeugnisse von Ignoranz, zudem oft eurozentristisch (was wiederum in Ordnung wäre, wenn man doch zugeben könnte, dass man sich eben nur zu seinem Fachgebiet bzw. beschränkten Horizont äußert). Hand aufs Herz, wen wundert es schon, wenn in einem als repräsentativ vorgesehenen Filmkanon wie dem der Bundeszentrale für politische Bildung 2003 herausgegebenen kein Film von, sagen wir einmal Sergio Leone vertreten ist? Andererseits kann auch Populismus nicht das Mittel der Wahl sein. Die "Top 250" der Internet Movie Database – wohl die populistischste Version eines offiziösen Filmkanons, die man wählen kann – führt seit Jahren konstant die eher melodramatisch-mediokre Stephen-King-Verfilmung the shawshenk redemption (Die Verurteilten; 1994; R: Frank Darabont) unter den Top-10 (mittlerweile steigt allerdings nahezu jeder größere, kompetent gemachte Blockbuster gleich hier ein, dem Outsourcing von Wählern nach Indien sei Dank).


Dennoch: Listen sind en vogue. Die Popkultur, Sie wissen schon. Auch die deutsche Filmzeitschrift Steadycam etwa hat beispielsweise in den letzten drei Dekaden jeweils Umfragen nach den "Grundpfeiler[n] des Kinos" durchgeführt: 1985 35 Teilnehmer, 1995 78 und 2007 sogar 174 Filmkritiker, -wissenschaftler und Filmschaffende befragt. Hier wurde allerdings wenigstens nach den "Lieblingsfilmen" gefragt und damit die Subjektivität solcher Ratings anerkannt. Und da auch ich nicht frei von Eitelkeiten bin, im Folgenden meine persönliche Top-30-Liste, eingeteilt in die Kategorien „Gold“, „Silber“ und „Bronze“ und somit angelehnt an Paul Schraders gescheiterten Versuch von 2006, einen Filmkanon zu erstellen. Selbstverständlich ist all dies subjektiv, parteilich, aus dem Moment heraus entstanden und daher auch wohl morgen schon wieder veraltet. Dennoch wünsche ich viel Spaß dabei! (And by the way: To my sole and truest reader Yan: You are of course invited to post your own list! Best Wishes to Malawi!)



Gold:


c’era una volta il west (Spiel mir das Lied vom Tod; I-USA 1968; R: Sergio Leone)

taxi driver (USA 1976; R: Martin Scorsese)

suspiria (I 1977; R: Dario Argento)

kiss me deadly (Rattennest; USA 1955; R: Robert Aldrich)

the wild bunch (USA 1969; R: Sam Peckinpah)

il buono, il brutto, il cattivo (Zwei glorreiche Halunken; I-USA 1966; R: Sergio Leone)

le cercle rouge (Vier im roten Kreis; F-I 1970; Jean-Pierre Melville)

stagecoach (Ringo aka Höllenfahrt nach Santa Fé; USA 1939; R: John Ford)

raging bull (Wie ein wilder Stier; USA 1980; R: Martin Scorsese)

le fantôme de la liberté (Das Gespenst der Freiheit; F-I 1974; R: Luis Buñuel)


Silber:


out of the past (Goldenes Gift; USA 1947; R: Jacques Tourneur)

bad lieutenant (USA 1992; R: Abel Ferrara)

à bout de souffle (Außer Atem; F 1960; R: Jean-Luc Godard)

the godfather i & ii (Der Pate & Der Pate – Teil II; USA 1972/74; R: Francis Ford Coppola)

l’ultimo tango a parigi (Der letzte Tango in Paris; I-F 1972; R: Bernardo Bertolucci)

dirty harry (USA 1971; R: Don Siegel)

ludwig (Ludwig II; I-F-BRD 1972; R: Luchino Visconti)

barry lyndon (UK 1975; R: Stanley Kubrick)

blue velvet + lost highway (USA 1986/97; R: David Lynch)

i soliti ignoti (Diebe haben’s schwer; I 1958; R: Mario Monicelli)

the naked spur (Nackte Gewalt aka Blanke Sporen; USA 1953; R: Anthony Mann)


Bronze:


the silence of the lambs (Das Schweigen der Lämmer; USA 1991; R: Jonathan Demme)

aleksander newskij (Alexander Newsky; SU 1938; R: Sergej M. Eisenstein)

forty guns (Vierzig Gewehre; USA 1957; R: Samuel Fuller)

themroc (F 1973; R: Claude Faraldo)

götter der pest (BRD 1970; R: Reiner Werner Fassbinder)

jingi no hakaba (Graveyard of Honor; JAP 1975; R: Kinji Fukasaku)

Film d'amore e d'anarchia, ovvero 'stamattina alle 10 in via dei Fiori nella nota casa di tolleranza ... (Liebe und Anarchie, I 1973; R: Lina Wertmüller)

monty phython´s life of brian (Das Leben des Brian; UK 1979; R: Terry Jones)

true romance (USA 1994; R: Tony Scott)

la residencia (The Finishing School; E 1969; R: Narciso Ibáñez Serrador)

chung hing sam lam (Chung King Express; HK 1994; R: Wong Kar Wai)



P.S.: Da ich mich gegen Ende doch nicht mehr zu Kürzungen durchringen konnte, ist es nun eine Top-32- statt einer Top-30-Liste geworden. Da schon die 30 willkürlich gewählt war: Sei’s drum.



Dienstag, 10. März 2009

Robert Aldrichs WORLD FOR RANSOM

world for ransom / menschenraub in singapur – USA 1954 – Plaza Productions/Monogram Pictures – Regie: Robert Aldrich [ungenannt] – Produktion: Robert Aldrich und Bernard Tabakin – Buch: Lindsay Hardy und [ungenannt] Hugo Butler – Kamera: Joseph Biroc – Musik: Frank DeVol – Darsteller: Dan Duryea (Mike Callahan), Gene Lockhart (Alexis Pederas), Patric Knowles (Julian March), Reginald Denny (Major Bone), Nigel Bruce (Governor Coutts), Marian Carr (Frennessey) ­– Gedreht in den Motion Picture Center Studios in Hollywood in 11 Tagen im April 1953 ­– Länge: 82 min – Erstaufführung USA: 27.01.1954
Robert Aldrich – Nonkonformist, Außenseiter, Maverick oder wie Peter Bogdanovich den Regisseur einmal treffend charakterisierte: ein „Insider/Outsider in Hollywoods Mainstream: mit dabei und doch im Abseits“. Aldrich war einer der ersten unabhängigen Regisseure-Produzenten im Nachkriegshollywood und thematisch ein Vorläufer der American Independents der 60er. Obwohl Genreprodukte, attackierten seine Filme tradierte Geschlechterrollen, waren fasziniert von familiären Gewaltverhältnissen, oft anti-autoritär in ihrer Haltung. So war ein Aldrich-Film über das Militär immer auch einer darüber, wie die innere Ordnung des Betriebs den Einzelnen zermalmt. Seine Melodramen erzählen von Inzest und Wahnsinn, Isolation und Abhängigkeit, seine besten Western von Imperialismus und Genozid. Statt heroische Außenseiter waren die tough guys seiner Thriller eher stumpf-gefühllose Pragmatiker oder neurotisch-gebrochene Idealisten, die Frauen seiner Melodramen oft sogar grausamer als die männlichen Protagonisten der Kriegsfilme. Selbst am Bibelfilm sodom and gomorrah (Sodom und Gomorrha; 1962) interessierte Aldrich mehr die Allegorie einer Frühform des Kapitalismus als das religiöse Moment.