Freitag, 8. Januar 2010

Thumbs up / Thumbs down: Jahresrückblick 2009



Verglichen mit 2008 bot das zurückliegende Jahr durchaus Grund für Hoffnung. Unter anderem gab es neue Filme von Quentin Tarantino, Sam Raimi, James Cameron, Kathryn Bigelow, Michael Mann, Darren Aronofsky und Steven Soderbergh. Viele dieser Filme konnten die hohen Erwartungen halten oder markierten eine überraschende Rückkehr zu früherer Form. Nur Scorseses Shutter Island wurde uns vorenthalten – das von der Wirtschaftskrise angeschlagene Studio hat den Kinostart der Dennis-Lehane-Verfilmung verschoben, eine nicht ganz nachvollziehbare Sparmaßnahme. 2009 war nicht nur in dieser Hinsicht das Jahr der Wirtschaftskrise: Michael Mann und Tom Tykwer haben mit ihren Filmen Public Enemies und The International im fiktiven Rahmen wohl am deutlichsten auf das bestimmende Thema in Nachrichten und Zeitungen verwiesen. Aber auch Rückgriffe auf den klassischen Politthriller wie State of Play, europäische Gangsterfilme wie der ausgezeichnete Mesrine-Zweiteiler von Jean-François Richet und Independentfilme von Nicolas Winding Refn (eiteiler sche Gangsterfilme wie der ausgezeichnete Bronson) und Darren Aronofsky (The Wrestler) belegen zusammen mit Kathryn Bigelows beeindruckendem Irakkriegsdrama The Hurt Locker ein neues Interesse an düsteren Charakterstudien. Im Folgenden meine Tops und Flops 2009, je nach Laune mit kurzen oder weniger kurzen Kommentaren versehen.



The Good:


Inglourious Basterds (2009; Quentin Tarantino) – Irgendjemand hat einmal gesagt, ein guter Film bräuchte mindestens fünf movie moments, diese schwer greifbaren Momente, Bilder oder Szenen, die aus einem Film hervorstechen, uns verzaubern und Unterhaltungskino zu dem magischen Erlebnis machen, das es im Idealfall sein kann. Inglourious Basterds, Tarantinos Ausflug in den dreckigen Kriegsfilm, ist ein Werk voller solcher movie moments geworden. Da wären z.B. die unerhört gute Eröffnungssequenz oder das Verhör, in dem Christoph Walz nebenher einen Strudel, nun ja, zerstört. Brillant sind auch die 40 Minuten in einer französischen Kellertaverne, in denen die „Basterds“ Kinderspielchen mit besoffenen Nazis spielen müssen, bevor alles innerhalb weniger Sekunden in Fetzen geschossen wird. Unvergessen auch die unverschämte kurze Rückblende, in der Hugo Stiglitz (Til Schweiger) wie in einem der schmierigen Men’s Adventure-Magazinen der 1950er Jahre ausgepeitscht wird oder die Einstellung, wenn sich Shosanna zu David Bowies „Putting out the Fire (with Gasoline)“ schminkt und Melanie Laurent dabei wie die junge Nastassja Kinski in Schraders Cat People (1982) aussieht und, und, und. Schlicht der Film des Jahres! Und Tarantinos bester bislang. Wie sagt Christoph Walz’ Hans Landa so schön: „That’s a Bingo!“

Drag Me to Hell (2009; Sam Raimi) – Endlich mal wieder ein guter Horrorfilm, der trotz seiner PG-13-Freigabe alles bietet, was man sich von einer filmischen Achterbahn erwartet. Und jetzt bitte eine dritte Evil Dead-Fortsetzung – unrated, versteht sich!

Avatar (2009; James Cameron) – Ice Age – Dawn of the Dinosaurs (2009; Carlos Saldanha und Mike Thurmeier) war mein erster 3D-Film, seit Hollywood wieder versucht, uns die neue alte Innovation als Attraktionskino unterzuschieben. Tatsächlich waren die Effekte dort durchaus überzeugend. Aber erst Avatar zeigt, was man alles mit der zusätzlichen Dimension anfangen kann. Eine überzeugende Dramaturgie sieht vielleicht anders aus, aber als visionärer Bilderrausch ist Camerons Comeback ein Meisterwerk. Punkt.

Harry Brown (2009; Daniel Barber) – Irgendjemand hat für Eastwoods Gran Torino (2008) den Begriff „Rentner-Action“ geprägt. Das war irgendwie richtig und falsch zugleich. Auch Harry Brown wird man dieses Prädikat wohl anhängen, wenn er in Deutschland endlich in die Kinos kommt. Dabei wird in Filmen wie Harry Brown und Gran Torino Action, und damit notwendigerweise Bewegung, nur in wenigen Szenen direkt in Szene gesetzt. Vielmehr geht es hier um Stillstand, um verstockte Charaktere, die von alten Stars gespielt werden, mittlerweile weit in ihren 70ern (Caine ist 76, Eastwood 79). Die Protagonisten, die beide in Gran Torino und Harry Brown geben, sind alte, müde Männer, die sich meilenweit von der sie umgebenden Gesellschaft entfernt haben. Und im Gegensatz zu den modischen Rachefantasien der letzten Jahre sind diese Filme wirklich düster.

Public Enemies (2009; Michael Mann) – Endlich wieder ein richtig guter Michael-Mann-Film. Cadrage und Einstellungsgrößen wirken durch das Spiel mit Vorder- und Hintergrund und die übernahen, detailreichen Großaufnahmen wie ein bewusster Rückgriff auf die 1960er Jahre und die Techniscope-Bilder des italienischen Genrekinos. Die Close-ups von Johnny Depp jedenfalls hätte Sergio Leone selbst nicht besser eingerichtet haben können. Der digitale Look des Films bringt zusätzlich eine geradezu surreale Note ein. Hervorragend! Ein Ärgernis ist allerdings die deutsche Synchronfassung, die es sogar schafft, aus dem FBI das „Zentrale Büro für Ermittlungen“ zu machen.

State of Play (2009; Kevin Macdonald) – Ein bewusster Rückgriff auf den Politthriller der paranoiden 1960/70er Jahre. Zwar kein Vergleich mit Alan J. Pakulas und Sydney Pollacks Klassikern, aber sauber gearbeitetes Hollywood-Kino, an dem man kaum etwas aussetzen kann – erfreulich.

The Hangover (2009; Todd Phillips) – The Hangover war wirklich eine Überraschung. Todd Phillips, der zuvor u.a. den grässlichen Starsky & Hutch (2004) inszeniert hat, gelingt tatsächlich das Kunststück, eine Komödie für die Thirtysomethings zu inszenieren, die weit über die üblichen Zoten hinausgeht. Brachialhumor bietet der Film natürlich trotzdem. Was auch viel Spaß macht.

The International (2009; Tom Tykwer) – Vielleicht Tykwers bester Film bislang. Ehrlich. Eine ausführliche Review findet sich hier.

The Taking of Pelham 1 2 3 (Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3; 2009; Tony Scott) –Immer, wenn ich den Glauben an Tony Scott verliere (und das passiert häufig), legt der Brite wieder einen lupenreinen Genrefilm vor, der zwar nicht das Rad neu erfindet, aber auf prollig-originelle Art seinen Zweck erfüllt. Das ist gewiss kein Kunstkino, aber besser als einiges, was Hollywood dieses Jahr herausgebracht hat. Das Original von 1974 mit dem großartig bärbeißigen Walter Matthau bleibt dennoch der bessere Film.

Il Divo (2008; Paolo Sorrentino) – Il Divo ist vermutlich neben Das Weiße Band der boshafteste Film des Jahres. Sorrentino erzählt die Lebensgeschichte Giulio Andreottis, der an 33 der 50 italienischen Regierungen beteiligt war, lange vor Berlusconi sieben Mal den Posten des italienischen Ministerpräsidenten bekleidete und hier, von Toni Servillo gespielt, ein wenig wie ein hermaphroditischer Zwerg wirkt. Dass Il Divo im Übrigen „Der Göttliche“ heißt, markiert bereits die Fallhöhe. Alleine die Eröffnungsmontage, die von einem House-Song begleitet („Toop Toop“ von Cassius) die bekanntesten Mafia-Morde en detail nachstellt und dazu über Schrifttafeln über Brigate Rosse, die Aldo-Moro-Entführung und den Mord an Giovanni Falcone informiert, ist ein Meisterwerk in sich. Ein eiskalter, bitterer Film, der manchmal wie eine Oper in der Irrenanstalt wirkt. Einer der besten des Jahres.

JCVD (2008; Mabrouk El Mechri) – The Muscles from Brussels in einem selbstreflexiven Film! Alles beginnt mit einer großartigen, ewig langen Plansequenz, die jedes Klischee des 80er-Jahre-Actionfilms aufgreift, um dann mit der totalen Ernüchterung zu enden. Und weil die good old days lange schon vorbei sind, weint Jean-Claude Van Damme später sogar direkt in die Kamera. Er kann wirklich schauspielern!

Che – Part i / Che – Part ii (2008; Stephen Soderbergh) – Soderberghs episches, zweiteiliges Biopic ist mehr Kriegsfilm als Politdrama. Aber damit umgeht der American Independent auch geschickt die Gefahr, Guevara zu verkitschen. Ein sehenswerter Bilderbogen, der in seiner größenwahnsinnigen Herangehensweise eher wie ein Film aus den 1970er Jahren wirkt.

Mesrine - L'ennemi public n° 1 / Mesrine - L'instinct de mort (2008; Jean-François Richet) – Noch ein Dyptichon und noch ein Film, der ästhetisch auf die 1960er und 70er Jahre zurückgreift, die Zeit, als das Kino noch wilde, verrückte Filme en masse vorweisen konnte. Mesrine ist eine rasante Gangsterballade über den französischen Staatsfeind Nr., 1 Jacques Mesrine, perfekt besetzt mit Frankreichs Oberrampensau Vincent Cassell. Der beste europäische Genrefilm des Jahres. Ausgesprochen erfrischend.

Das Weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte (2009; Michael Haneke) – Über Michael Haneke wird dagegen wohl kaum jemand sagen, seine Filme seinen „erfrischend“. Oft produziert Haneke Kopfkino oder Konzeptkunst. Das Weiße Band dagegen hat mich seit Langem wieder für den Regisseur eingenommen, der hier einen dörflichen Mikrokosmos in der Vorkriegszeit erbarmungslos seziert. Das ist nicht unbedingt humanistisches Kino, aber im nahezu ausverkauften Kino herrschte danach einfach nur noch Stille. In Schwarzweiß ist der Film übrigens auch gedreht; etwas, das man heute leider viel zu selten zu sehen bekommt.

OSS 117: Rio ne répond plus (OSS 117 – Lost in Rio; 2009; Michel Hazanavicius) – Auch der zweite der neuen OSS 117-Filme unterhält bestens. Schon die Idee, den erzdummen, oberchauvinistischen, selbstverliebten und rassistischen Anti-Bond auf den Nahostkonflikt anzusetzen, ist großartig, und die Umsetzung sprüht nur so von antifranzösischem Witz. Dass das Ganze von einem Franzosen inszeniert wird und in Frankreich ein begeistertes Publikum findet, belegt die Fähigkeit der Grande Nation, über sich selbst zu lachen.

The Hurt Locker (2009; Kathryn Bigelow) – Trotz einiger Handkamerasperenzchen und überzogenem Testosterongehabe gelingt Bigelow mit The Hurt Locker nicht nur die Rückkehr zur alten Form, sondern auch der beste Film zu Irakkrieg bislang. Intensives, unmittelbares Actionkino mit Charakteren statt Stereotypen.

Bronson (2009; Nicolas Winding Refn) – Refn ist ebenfalls ein alter Bekannter, der u.a. die hervorragende Pusher-Trilogie und Bleeder vorgelegt hat. Im Vergleich dazu ist Bronson schwerere Kost, belegt aber ein weiteres Mal, dass Refn ein Regisseur ist, dessen Karriere man beachten sollte. Eine ausführliche Besprechung findet sich hier. Auf Valhalla Rising, Refns Wikingerfilm, bin ich schon sehr gespannt.

The Wrestler (2009; Darren Aronofsky) – Auch Darren Aronofsky liefert in seinem berührenden und zutiefst menschlichen Drama wie gewohnt Qualität ab. Kritik findet sich hier.

Looking for Eric (2009; Ken Loach) – Dass Ken Loach, der Regisseur von Ladybird Ladybird und Kes, einmal ein Feelgood-Movie inszenieren würde, hätte ich mir nicht träumen lassen.

Milk (2008; Gus van Sant) – Sean Penn liefert die Schauspielleistung des Jahres ab und beweist, dass er zusammen mit Christian Bale der männliche Schauspieler dieser Generation ist.

Chugyeogja (The Chaser; 2008; Hong-jin Na) – Das Südkoreanische Kino mag sich nach den Höhenflügen der letzten Dekade in einer Krise zu befinden. Solange es jedoch so ausgezeichnete Films Noirs wie diesen vorweisen kann, ist die Talsohle noch weit entfernt.




The In-Between:


Gutes Mittelfeld: Filme, die überraschend besser waren, als angenommen oder die eigentlich gut bis sehr gut waren, denen aber doch irgendetwas fehlte:


Watchmen (2009; Zack Snyder): Ein wahrhaft ambitionierter Film, dem während des Scheiterns dennoch einige ausgezeichnete Momente gelingen. Die Anfangsmontage, in der die Geschichte von den 1950er Jahren ausgehend umgeschrieben wird, war gewiss einer der Momente des Kinojahres.

Zombieland (2009; Ruben Fleischer) – Zombieland überzeugt als Zwitter aus blutigem Horrorfilm und kenntnisreicher Parodie – und zwar im Vergleich zu dem albernen Shaun of the Dead (2004) um Längen. Woody Harrelson ist als stoischer Redneck auf der Suche nach Cremetörtchen sowieso nicht zu schlagen. Der einzige Schwachpunkt ist ähnlich wie in The Hangover ein gezwungener Gastauftritt. Wie der Cameo von Mike Tyson in Phillips’ Film nimmt der Gastauftritt von Bill Murray (der nur noch als Zitat seiner selbst aufzutreten scheint), zuviel Raum ein, führt zu nichts und nimmt das Tempo aus dem Film. Schade.

13 Semester (2009; Frieder Wittich): Überraschenderweise war 2009 ein gutes Komödienjahr. Neben Fatih Akins melancholischem Soul Kitchen und dem großartigen The Hangover beweist 13 Semester nicht nur Gespür für Timing, sondern auch viel aufrichtige Sympathie für seine Figuren. Das kommt gänzlich ohne die Neigung deutscher Komödien zum Denunziatorischen aus (vergleiche etwa Bully Herbigs und Til Schweigers verklemmte Schwulenwitze). Ansonsten nur ein Satz: „The early bird catches the worm!“

Soul Kitchen (2009, Fatih Akin): Fatih Akin dagegen überspannt mit Soul Kitchen den Bogen etwas. Die durch ein kulinarisches Aphrodisiakum ausgelöste Orgie hätte es z.B. wirklich nicht gebraucht. Aber davor bemerkt man doch erfreut, dass sich hier endlich mal jemand in Deutschland von der traditionellen Elendskomödie Italiens inspirieren lässt, zudem das Lokalkolorit Hamburgs kongenial einzusetzen weiß (ein Happy End musste leider doch sein). Und wer schon einmal in einer Kneipe oder der Gastronomie gearbeitet hat, wird seinen Spaß haben.

Gomorra (2008; Matteo Garrone) – Wie in Il Divo spielt Toni Servillo eine Hauptrolle und doch erweist sich Matteo Garrones Film gegenüber dem geradezu postmodernen Il Divo als sehr viel nüchterner. Das liegt insbesondere an seinem semi-dokumentarischen Gestus. Die episodischen Geschichten über kleine und mittelgroße Mafiosi, die ihre Verbrechen als rationales Business organisieren, zermürbt und erschüttert. Doch so wichtig der Film auch sein mag, Sorrentinos Zugang zu dem Thema gefiel mir wesentlich besser.

Fu Chou / Vengeance (2009; Johnnie To) – Johnny Hallyday goes East: Einen französischen Chef, in einem früheren Leben Profikiller, verschlägt es nach Macao, wo er wieder zur Waffe greifen muss – aus Rache versteht sich. Wie üblich bei To kreist alles um Essen, Töten und die meditative Ruhe vor dem Sturm. Nichts wirklich Neues, aber kein Jahr wäre wirklich komplett ohne einen Film des asiatischen Action-auteur.

A Serious Man (2009; Joel & Ethan Coen): Der Prolog ist herrlich verschroben und boshaft, aber die eigentlich Geschichte des Films hat mich dann doch eher kalt gelassen. Tatsächlich kann ich mit den Coens in den letzten Jahren immer weniger anfangen, zumindest längst nicht mehr soviel wie früher. Vielleicht liegt das daran, dass das Coen-Universum nur noch um die gleichen Pole kreist und sich die Masche nach mehr als einem Dutzend Filmen deutlich abgenutzt hat. Hinzu kommt, dass die letzten Filme oft sehr grausam zu ihren Figuren waren. Der Coen-Protagonist der letzten Jahre (in Burn after Reading, No Country for Old Men und A Serious Man) ist meist ein Trottel, der sich durch sein Handeln als aussichtsreicher Anwärter auf den Darwin Award für besonders blödes selbstverschuldetes Ausscheiden aus dem menschlichen Genpool qualifiziert. Es sind Jammerlappen, die in ihrer kleingeistigen Trübheit verdämmern und von den allmächtigen Drehbuchautoren je nach Lust und Laune mittels Mord, Krebserkrankung oder als Folge eines dummen Zufalls unsanft aus der Storyline befördert werden. Trotzdem sehe ich mir jeden neuen Film des boshaften Brüderpaares an und letztlich sind sie doch immer einen Blick wert, manchmal auch einen zweiten oder dritten (wie im Fall von No Country for Old Men).

Doubt (Glaubensfrage; 2008; John Patrick Shanley) – trotz des wie immer hervorragenden Philip Seymoure Hoffman ein sehr puritanischer Film.

Crank 2 – High Voltage (2009; Mark Neveldine und Brian Taylor): Der zweite Crank-Film ist sehr, sehr geschmacklos, wirkt mitunter auch gezwungen in seiner Neigung zur Grenzüberschreitung. Kurzweilig ist das Ganze aber schon.

Jennifer’s Body (2009; Karyn Kusama): Ja, was war denn das? Zwischen Adoleszenzdrama und Exploitationfilm angesiedelt, ist das ein merkwürdiger kleiner Bastard geworden, der nicht ganz die hohen Erwartungen einlöst, sich aber als innovativer erweist als das x-te Remake eines altbekannten Stoffs.

Män som hatar kvinnor (Verblendung; 2009; Niels Arden Oplev): Die Verfilmung des ersten Romans von Stieg Larssons Millennium-Trilogie ist durchaus gelungen. Aber irgendwie blieb doch ein schaler Geschmack zurück. Lag’s an der Fernsehoptik des überlangen Streifens? Oder an der übermäßigen Gewalt gegen Frauen? Vielleicht auch am Serienmörderplot, der hier – im Gegensatz zum Roman – arg überzogen wirkt? Vielleicht. Andererseits ist kompetent gemachtes europäisches Genrekino immer zu begrüßen. Mal sehen, was der zweite und dritte Teil bieten.

12 Meter ohne Kopf (2009; Sven Taddicken): À propos europäischer Genrefilm: einen deutschen Piratenfilm gab es 2009 auch. Leider war das Ergebnis etwas durchwachsen und wollte zuviel gleichzeitig. Aber immerhin ist 12 Meter ohne Kopf sehr gut ausgestattet, ansprechend gefilmt, mit guten Schauspielern besetzt und durchaus unterhaltsam. Eine Kritik dazu findet sich hier: Link.




The Neither/Nor: Des Weiteren (in keiner besonderen Reihenfolge) Mittelmäßiges, Vermurkstes, Durchwachsenes:


Felon (2008; Ric Roman Waugh); Killshot (2009; John Madden); RocknRolla (2008; Guy Ritchie); The Strangers (2008; Bryan Bertino); Transporter 3 (2009; Olivier Magaton); W. (2008; Oliver Stone); Beyond a Reasonable Doubt (2009; Peter Hyams); In the Electric Mist (2008; Bertrand Tavernier); What doesn't kill you (2008; Brian Goodman); Joheunnom nabbeunnom isanghannom (The Good, The Bad, The Weird; 2008; Ji-woon Kim); The Escapist (2008; Rupert Wyatt); Clubbed (2008; Neil Thompson); 9 to 5 - Days in Porn (2008; Jens Hoffmann) – Alle nicht ganz schlecht, nicht richtig gut.



The Bad, the Boring, and the Disgusting:


Vom unteren Mittelfeld bis zum Bodensatz: Vielversprechendes, das letztlich doch enttäuschte; insgesamt misslungene Filme mit bestenfalls guten Momenten; Konfektionsware von Regisseuren, denen nichts Neues mehr einfällt – und ganz einfach schlechte Filme:


Horsemen (2009; Jonas Åkerlund): Schrecklich klischeehaft, vorhersehbar und konstruiert. Ästhetisch zudem eine 180-Grad-Kehrtwende gegenüber dem rasanten Erstling Spun von 2003.

Angels & Demons (Illuminati; 2009; Ron Howard): Selten habe ich mich so gelangweilt im Kino, von den blödsinnigen Verschwörungstheorien gar nicht zu reden. Einige schöne Aufnahmen, aber alles in allem schrecklicher Mist.

Antichrist (2009; Lars von Trier): Die Eingangssequenz ist weiß Gott brillant gefilmt und einer der eindruckvollsten Momente des Kinojahres 2009. Von da ab ging es leider nur noch bergab, bis in die Untiefen des prätentiösen Pseudo-Kunstkinos, inklusive der Hexenverbrennung am Ende. Aber vermutlich hat Trier, der alte Misogynist, das öffentliche Bild von sich als Frauenfeind nur ironisieren wollen. Als ich am Ende das Kino verließ, fühlte ich mich jedenfalls ziemlich verarscht.

Brüno (2009; Larry Charles): Im Gegensatz zu dem durchaus lustigen Borat hat sich die Methode Sacha Baron Cohen ausgereizt. Wenn am Ende die Popwelt inklusive Elton John aufmarschiert und ein fröhliches Liedchen gegen Homophobie trällert, zeigt sich, wie handzahm und kalkuliert das Ganze geworden ist. Dass sich diesmal im Gegensatz zum Vorgänger niemand wirklich aufregt, verwundert kaum. Subversion sieht anders aus.

Case 39 (2009; Christian Alvart): Der ehemalige Herausgeber der X-Tro versucht sich am Genrekino. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Case 39 ist leider ein Beispiel für letztere Kategorie. Eine ausführliche Besprechung von mir findet sich in der Splatting Image oder hier.

Coraline (2009; Henry Selick): Nach einem vielversprechenden Anfang, macht sich Ernüchterung breit. Irgendwie … indifferent.

Miracle at St. Anna (2008; Spike Lee): Ich bin ein erklärter Spike-Lee-Fan, aber den Film konnte ich einfach nicht zu Ende sehen. Prätentiös, historisch inakkurat, kitschig. Vielleicht gebe ich ihm irgendwann noch eine Chance.

Religulous (2008; Larry Charles): Eine „Doku“ über den „aufklärerischen“ Commedian Bill Maher, der genauso predigt, wie die religiösen Spinner, denen er vorhält, dass sie religiöse Spinner sind. As funny as kicking a dead dog.

Pride and Glory (2008; Gavin O'Connor): So viele gute Schauspieler, so viele Klischees.

Terminator Salvation (2009; McG): „McG“, der bereits die unerträglichen Charlie’s Angels-Filme verbrochen hat, auf das Terminator-Franchise loszulassen, ist, gelinde gesagt, eine überraschende Wahl. Daran gemessen macht er seinen Job fast schon wieder gut, wobei einige der Actionsequenzen ansprechend inszeniert sind. Ansonsten aber wartet der Film mit ausgesprochen hirnrissigen Dialogen, gigantischen Plot-Löchern und Logikfehlern auf. Selbst Christian Bale spielt erschreckend schlecht und starrt vor allem griesgrämig vor sich hin. Vermutlich die schlechteste High Budget-Produktion des Jahres.

Gamer (2009; Mark Neveldine und Brian Taylor): Jo mei, Jungskino halt. Höchstenfalls die wirklich düstere Zukunftsfantasie fällt etwas aus dem Rahmen. Sonst aber nicht Fisch, nicht Fleisch. Nach der Godzilla-Sequenz in Crank 2 – High Voltage gelingt es Neveldine und Taylor diesmal, eine Musical-Sequenz in ihrem filmischen Flickenteppich unterzubringen. Immerhin. Eine Kritik von mir findet sich hier.

Saw VI (2009; Kevin Greutert): Jede Gesellschaft bekommt die Filme, die sie verdient hat. Bei Filmen wie Saw VI kann man zum Pessimisten werden.

Law Abiding Citizen (Das Gesetz der Rache; 2009; F. Gary Gray): Wer einen guten Selbstjustizfilm sehen will, sollte sich den britischen Harry Brown ansehen: Der 76-jährige Michael Caine ist immer noch zehn Mal cooler als dieser überflüssige und überkonstruierte Blödsinn.

The Proposal (Selbst ist die Braut; 2009; Anne Fletcher): Manchmal packt einen die Lust nach harmloser Mainstream-Unterhaltung, die wenigstens kompetent gearbeiteten Eskapismus bietet. The Proposal ist der falsche Film dafür. Er leistet nicht einmal das.



Leider Verpasst:


District 9 (2009; Neill Blomkamp); Fantastic Mr. Fox (2009; Wes Anderson); Los abrazos rotos (2009; Pedro Almodóvar); The Imaginarium of Doctor Parnassus (2009; Terry Gilliam); The Informant! (2009; Steven Soderbergh); Låt den rätte komma in (So finster die Nacht; 2008; Tomas Alfredson); Bad Lieutenant - Port of Call – New Orleans (2009; Werner Herzog); Bakjwi / Thirst (Durst; 2009; Chan-Wook Park); Where the Wild Things are (Wo die Wilden Kerle wohnen; 2009; Spike Jonze); Ai no Mukidashi / Love Exposure (2008; Shion Sono)