Sonntag, 15. Februar 2009

Bad, bad bank: THE INTERNATIONAL


the international – USA-D-UK 2009 – Regie: Tom Tykwer – Drehbuch: Eric Singer – Produktion: Lloyd Phillips, Charles Roven, Richard Suckle [Executive Producer: u.a. John Woo] – Kamera: Frank Griebe – Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Tom Tykwer – Schnitt: Mathilde Bonnefoy – Darsteller: Clive Owen (Louis Salinger), Naomi Watts (Eleanor Whitman), Armin Mueller-Stahl (Wilhelm Wexler), Ulrich Thomsen (Jonas Skarssen) u.a. – Format: 2.35:1 (Super 35) – Länge: 118 min. – Verleih (D): Sony Pictures Releasing


Ein (Anti-)Held kämpft gegen eine transnational agierende Großbank, gegen den Neoliberalismus und eine inhumane Wirtschaftsordnung; kurz: explizit gegen Kapitalismus und implizit wohl auch ein wenig gegen die Moderne. Die Gegenwartswelt, das ist hier eine Glas-&-Betonlandschaft, unbewohnt und unbewohnbar, aufgeräumt und leer, repräsentativ und kalt, bestimmt von Grau- und Blautönen. Selbst die Sitzgarnituren in den Bankgebäuden wirken wie Ausstellungsstücke in einer Installation. Die Raum- und Räume-Ordnung der Moderne als Werk eines menschenfeindlichen Künstlers; ein wenig erinnert dies an Dario Argento, Alan J. Pakula, Michael Mann und Brian De Palma, die ganz ähnliche filmische Räume in ihren besten (Oberflächen-)Filmen der 70er und 80er Jahre ausgestellt haben. Als Gegensatz hierzu wird das New Yorker Büro der Ermittler aufgebaut: kreatives Chaos; Aktenberge, Papierstapel und dazwischen Kaffeepötte; ein knautschiges Ledersofa und ebensolche Sessel; die Hemdkrägen der Menschen darin nicht mehr gestärkt wie die der Charaktermasken in den Banken. Schließlich dann der Schritt zur lustvollen Destruktion, ein Ausbruch der Gewalt im New Yorker Guggenheim-Museum: weiße, kalte Wände werden durchlöchert, Glaskuppeln zertrümmert, Spiegel zerschossen. Einfach alles zu Klump hauen; bluten, schwitzen, leiden; überleben, um sich überhaupt einmal lebendig zu fühlen (in Bezug auf diese Sequenz nehme ich jede Wette an, dass sich Tykwer vor dem Dreh noch einmal McTiernans die hard [Stirb langsam; 1988] angesehen hat). Das ist nun der absolute Gegensatz zu den smarten Bankern, die nicht ein einziges Mal in diesem Film mit wenigstens Schweißflecken unter den Achseln gezeigt werden. Und darum wird auch Armin Mueller-Stahls Figur zum späten Märtyrer-Helden wider Willen: Weil er alt ist, also schwitzt und riecht und längst überholt ist, folglich in der technokratischen Umwelt nicht mehr sein darf und ihm nichts anderes als Rebellion bleibt.


the international: Der Titel bezieht sich nicht nur auf die (fiktive) „bad“ bank IBBC und die Globalisierung, gegen die Clive Owens Ermittlerfigur antritt. Der / die / das Internationale – das ist auch eine Absichtserklärung: Zum einen ist der Film selbst eine europäisch-amerikanische Koproduktion mit einem deutschen Regisseur und zwei britischen (Semi-)Stars in den Hauptrollen, der Expatriate John Woo (!) fungiert als einer der ausführenden Produzenten. Und zum anderen sind auch seine Handlungsorte international, spielt der Film doch überwiegend in den Großstädten der westlichen Hemisphäre, in Berlin, Mailand, New York, eine besser als die andere fotografiert von Frank Griebe, Tykwers langjährigem Stammkameramann. Nur eine Stadt wird auffällig anders gezeigt: Istanbul, der Ort, an dem der Film mit einem archaischen, folglich vormodernen und in der Logik des Films notwendigen Akt endet: mit Blutrache. Inszenatorisch folgt Tykwer dabei ganz der Tradition des westlichen Kinos, die mit dem Orient Chaos, Unüberschaubarkeit und emotionalen Exzess assoziiert, idealerweise im Bild des überfüllten Basars gebündelt. Von Istanbul sehen wir neben der unvermeidlichen Einstellung auf die Galatabrücke und das Goldene Horn dementsprechend in verwackelten Kameraeinstellungen den Kapalı Çarşı, den Großen Basar, als Ort voller Menschengewusel und Warenallerlei. So tritt vertraute Unordnung an die Stelle der Leere und Kälte der hypermodernen Verwaltungsgebäude in den europäischen und amerikanischen Metropolen. Mit einer Moschee und der spätantiken Zisterne darunter (die Cisterna Basilica [?]) wird später gar ein archaisch-sakraler Raum als Gegenmodell zu den heiligen Hallen der Banken aufgebaut. Hier tut sich dann allerdings ein gewaltiger Zwiespalt auf: Dramaturgisch argumentiert Tykwer für die Emotionalität von Owens Ermittlerfigur und den (letzlich sinnlosen) Racheakt, der als Coda den Film beschließt, also für eine Rückwärtsgewandtheit, für die hier symbolisch Istanbul, Italien und als Personifikation der Owen’sche Barfuß-Polizist stehen. Ästhetisch aber ist er den Glas- und Stahlfassaden, den Lichtermeeren, den Museen im Innen und Außen der Großstädte verfallen wie ein Michael Mann. Das allerdings schadet dem Film weniger als das Problem, die Spannung auf der Thrillerebene für knapp zwei Stunden aufrecht zu halten. Bis zu dem kathartischen Gewaltausbruch im Guggenheim-Museum dauert es sehr lange und danach wird gleich wieder das Tempo zurückgenommen. Für einen internationalen Erfolg ist der Film damit wohl etwas zu langsam inszeniert. Auch wirkt Naomi Watts oft verloren, aber, das sei Tykwer auf jeden Fall hoch angerechnet, es gibt glücklicherweise keine sinnlose Double-plot-Konvention, wie sie selbst Ridley Scott in body of lies (Der Mann, der niemals lebte; 2008) zwanghaft untergebracht hat, obwohl die Dramaturgie nicht danach verlangt und der Film dadurch einfach nur länger wird.


Letztlich ist the international trotz (oder eher: aufgrund) all seiner Fehler zu so etwas wie einem Debüt-Film geworden: das eigentliche internationale Debüt Tykwers, also der Film, dem man weniger den auteur Tykwer anmerkt als den meisterlichen Handwerker. Die gefällige Eichinger-Produktion das parfum (2006) konnte als Mainstream-Kunsthandwerk diese Rolle nicht übernehmen; das war eher Eichingers Film. Und schlecht ist the international beileibe nicht, denn, sind wir doch einmal ehrlich, in Europa gibt es zu viele (Möchtegerne-)Autorenfilmer und zu wenig gute Handwerker und Genreregisseure. In diesem Sinn ist the international für mich – neben winterschläfer (1997) – vielleicht sogar der beste Film von Tykwer bisher.



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