Freitag, 20. März 2009

My own private Filmkanon ...


Eigentlich ist jeder Versuch der Kanonisierung der Filmgeschichte zum Scheitern verurteilt – und das ist wohl auch gut so. Wer will schon vorschreiben, welche zehn, 50, 100 oder meinethalben 1000 Filme unverzichtbar sind und den Grundstock unserer Filmkultur bilden? Oder die eigenen persönlichen Vorlieben (und nicht zu vergessen: Kenntnisse) für immer zementieren? Ist es nicht so, dass das, was gestern gefiel, morgen abgeschmackt sein könnte? Ein ursprünglich prägender Einfluss: heute passé; oder: die gewagte Neuerung von vor wenigen Jahren: die Bildungslücke von Morgen? Wirklich problematisch wird es, wenn Worte wie „Bildung“, „Bedeutung“ und „Filmerbe“ ins Spiel kommen, in Wirklichkeit jedoch nur etwas ausgedrückt wird, das doch lediglich den persönlichen Geschmack zu einem bestimmten Zeitpunkt belegt – oder wahlweise, je nach Standpunkt oder im Rückblick: die eigene Ignoranz oder Vergesslichkeit zu höheren Weihen zu erheben sucht ...


Die meisten akademischen Kanonisierungen der Filmgeschichte sind in diesem Sinn tatsächlich eher Zeugnisse von Ignoranz, zudem oft eurozentristisch (was wiederum in Ordnung wäre, wenn man doch zugeben könnte, dass man sich eben nur zu seinem Fachgebiet bzw. beschränkten Horizont äußert). Hand aufs Herz, wen wundert es schon, wenn in einem als repräsentativ vorgesehenen Filmkanon wie dem der Bundeszentrale für politische Bildung 2003 herausgegebenen kein Film von, sagen wir einmal Sergio Leone vertreten ist? Andererseits kann auch Populismus nicht das Mittel der Wahl sein. Die "Top 250" der Internet Movie Database – wohl die populistischste Version eines offiziösen Filmkanons, die man wählen kann – führt seit Jahren konstant die eher melodramatisch-mediokre Stephen-King-Verfilmung the shawshenk redemption (Die Verurteilten; 1994; R: Frank Darabont) unter den Top-10 (mittlerweile steigt allerdings nahezu jeder größere, kompetent gemachte Blockbuster gleich hier ein, dem Outsourcing von Wählern nach Indien sei Dank).


Dennoch: Listen sind en vogue. Die Popkultur, Sie wissen schon. Auch die deutsche Filmzeitschrift Steadycam etwa hat beispielsweise in den letzten drei Dekaden jeweils Umfragen nach den "Grundpfeiler[n] des Kinos" durchgeführt: 1985 35 Teilnehmer, 1995 78 und 2007 sogar 174 Filmkritiker, -wissenschaftler und Filmschaffende befragt. Hier wurde allerdings wenigstens nach den "Lieblingsfilmen" gefragt und damit die Subjektivität solcher Ratings anerkannt. Und da auch ich nicht frei von Eitelkeiten bin, im Folgenden meine persönliche Top-30-Liste, eingeteilt in die Kategorien „Gold“, „Silber“ und „Bronze“ und somit angelehnt an Paul Schraders gescheiterten Versuch von 2006, einen Filmkanon zu erstellen. Selbstverständlich ist all dies subjektiv, parteilich, aus dem Moment heraus entstanden und daher auch wohl morgen schon wieder veraltet. Dennoch wünsche ich viel Spaß dabei! (And by the way: To my sole and truest reader Yan: You are of course invited to post your own list! Best Wishes to Malawi!)



Gold:


c’era una volta il west (Spiel mir das Lied vom Tod; I-USA 1968; R: Sergio Leone)

taxi driver (USA 1976; R: Martin Scorsese)

suspiria (I 1977; R: Dario Argento)

kiss me deadly (Rattennest; USA 1955; R: Robert Aldrich)

the wild bunch (USA 1969; R: Sam Peckinpah)

il buono, il brutto, il cattivo (Zwei glorreiche Halunken; I-USA 1966; R: Sergio Leone)

le cercle rouge (Vier im roten Kreis; F-I 1970; Jean-Pierre Melville)

stagecoach (Ringo aka Höllenfahrt nach Santa Fé; USA 1939; R: John Ford)

raging bull (Wie ein wilder Stier; USA 1980; R: Martin Scorsese)

le fantôme de la liberté (Das Gespenst der Freiheit; F-I 1974; R: Luis Buñuel)


Silber:


out of the past (Goldenes Gift; USA 1947; R: Jacques Tourneur)

bad lieutenant (USA 1992; R: Abel Ferrara)

à bout de souffle (Außer Atem; F 1960; R: Jean-Luc Godard)

the godfather i & ii (Der Pate & Der Pate – Teil II; USA 1972/74; R: Francis Ford Coppola)

l’ultimo tango a parigi (Der letzte Tango in Paris; I-F 1972; R: Bernardo Bertolucci)

dirty harry (USA 1971; R: Don Siegel)

ludwig (Ludwig II; I-F-BRD 1972; R: Luchino Visconti)

barry lyndon (UK 1975; R: Stanley Kubrick)

blue velvet + lost highway (USA 1986/97; R: David Lynch)

i soliti ignoti (Diebe haben’s schwer; I 1958; R: Mario Monicelli)

the naked spur (Nackte Gewalt aka Blanke Sporen; USA 1953; R: Anthony Mann)


Bronze:


the silence of the lambs (Das Schweigen der Lämmer; USA 1991; R: Jonathan Demme)

aleksander newskij (Alexander Newsky; SU 1938; R: Sergej M. Eisenstein)

forty guns (Vierzig Gewehre; USA 1957; R: Samuel Fuller)

themroc (F 1973; R: Claude Faraldo)

götter der pest (BRD 1970; R: Reiner Werner Fassbinder)

jingi no hakaba (Graveyard of Honor; JAP 1975; R: Kinji Fukasaku)

Film d'amore e d'anarchia, ovvero 'stamattina alle 10 in via dei Fiori nella nota casa di tolleranza ... (Liebe und Anarchie, I 1973; R: Lina Wertmüller)

monty phython´s life of brian (Das Leben des Brian; UK 1979; R: Terry Jones)

true romance (USA 1994; R: Tony Scott)

la residencia (The Finishing School; E 1969; R: Narciso Ibáñez Serrador)

chung hing sam lam (Chung King Express; HK 1994; R: Wong Kar Wai)



P.S.: Da ich mich gegen Ende doch nicht mehr zu Kürzungen durchringen konnte, ist es nun eine Top-32- statt einer Top-30-Liste geworden. Da schon die 30 willkürlich gewählt war: Sei’s drum.



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