Sonntag, 28. Februar 2010

Tony Anthony is back!



Unter den Protagonisten des Western all’italiana ist der von Tony Anthony verkörperte „Stranger“ der wohl ungewöhnlichste Serienheld: ein eher träger Loner, einzig angetrieben von seiner Geldgier; feige und hinterhältig, meist aber das Opfer ausgewalzter Quälereien und Demütigungen; am Ende zudem immer derjenige, der über den Tisch gezogen wird. Kurz: ein veritabler Antiheld, fast schon eine Comicfigur, mit welcher der Western als mythische Heldenerzählung in Europa vollends auf den Kopf gestellt wurde.


Bevor es den 1937 in Clarksburg, West Virginia als Roger Pettito geborenen Schauspieler zum Italowestern verschlug, lernte Anthony an der renommierten Schauspielschule The Actors’ Studio in New York sein Handwerk und stand u.a. für die feministische Filmemacherin und Fellini-Schülerin Lina Wertmüller vor der Kamera. Zwischen 1967 und 1981 trat er dann in insgesamt sechs Italowestern auf, die jeder auf seine Weise für das Genre bedeutend waren. Anthonys erste zwei Italowestern, der minimalistische Un dollaro tra i denti (Ein Dollar zwischen den Zähnen; 1967) und der höchst ironische Un uomo, un cavallo, una pistola (Western Jack; 1967), etablierten unter der Regie von Luigi Vanzi den antisozialen, faulen „Helden“-Typus, dem Anthony über seine Karriere treu bleiben sollte. Mit dem überwiegend in Japan gedrehten Lo straniero di silenzio aka The Silent Stranger (Der Schrecken von Kung-Fu; 1968) legte das Team im folgenden Jahr die erste italienisch-asiatische Westernfusion vor und transformierte Anthonys namenlosen Fremden nach Japan, wo er im Reich der Zeichen (Roland Barthes) an eben seiner Unfähigkeit scheitern sollte, die fremden Zeichen zu lesen. In Baldis drei Jahre später entstandener, ebenso aufwändiger wie trashiger Zatôichi-Variation Blindman aka Il cieco (Blindman, der Vollstrecker) trat Anthony neben Ex-Beatle Ringo Starr (!) als blinder (!) Revolverheld auf. 1981 übernahm er dann die Hauptrolle in Baldis bizarrem Genre-Crossover Get Mean (Time Breaker; 1981), das irgendwo zwischen Wikinger-Film, Twilight Zone, Peplum, Italowestern und Fantasy-Trash angesiedelt war und etwa zehn Jahre später zur offensichtlichen Inspirationsquelle für Sam Raimis Army of Darkness (1992) werden sollte. Anthonys letzter Western ist ebenfalls ein Kuriosum, denn Comin’ at Ya (Alles fliegt dir um die Ohren; 1981) ist bis heute der einzige 3-D-Italowestern. In den USA wurde der 1981 erstaufgeführte Western zum Auslöser einer neuen Welle an 3-D-Filmen.

Angesichts des gegenwärtigen Booms an 3-D-Filmen hat sich Anthony entschlossen, seinen Klassiker nun wieder auf die große Leinwand zu bringen. Auf der neu eingerichteten Homepage des Films wird eine für 700 000 Dollar in digitales 3-D transformierte und restaurierte Fassung von Comin’ at Ya als „Leaner & Meaner“-Cut für einen Kinoneustart angekündigt. Hier findet sich auch ein englisches Interview mit dem Darsteller. Wenn alles gut läuft, dann führe ich demnächst auch ein Interview mit Anthony. Bald mehr darüber ...

Oben: Production Still der Dreharbeiten von Comin’ at Ya

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