Sonntag, 18. Januar 2009

Griesgrämig bis zur Verbiesterung: Walter Matthau in HOPSCOTCH


HOPSCOTCH / dt. Titel: AGENTENPOKER aka BLUFF POKER aka HOPSCOTCH – USA 1980 – Regie: Ronald Neame – Drehbuch: Bryan Forbes, Brian Garfield, nach einem Roman von Brian Garfield – Produzenten: Ely A. Landau, Otto Plaschkes – Kamera: Arthur Ibbetson, Brian W. Roy – Schnitt: Carl Kress – Darsteller: Walter Matthau (Miles Kendig), Glenda Jackson (Isobel von Schonenberg), Sam Waterston (Joe Cutter), Ned Beatty (Myerson), Herbert Lom (Yaskov) – Format: 35 mm, Panavision (2.35:1) – Länge: 106 min. – DVD: Criterion (USA)

Walter Matthau in einer Agentensatire, die ganz auf das Anfang der 70er Jahre gefestigte Image des Schauspielers zugeschnitten ist: Wie in Don Siegels CHARLEY VARRICK (DER GROSSE BLUFF, 1973) und Joseph Sargents THE TAKING OF PELHAM ONE TWO THREE (STOPPT DIE TODESFAHRT DER U-BAHN 1-2-3, 1974) spielt Matthau einen Mann, der griesgrämig bis zur Verbiesterung ist, aber doch das Leben als Hedonist zu genießen weiß, dessen Genauigkeit bis zur Pedanterie reicht, dessen Egozentrik mit äußerstem Professionalismus einhergeht und der – wenn es nötig ist – durchaus auch tough sein kann.

Als der letzte der Independents wird Matthaus Protagonist in Siegels CHARLEY VARRICK einmal bezeichnet; ein Label, das für die meisten seiner Filmcharaktere zutrifft. Einzelgänger aber fügen sich erwartungsgemäß nicht allzu gut in oppressive Institutionen und Bürokratien ein. Und entsprechend erzählt HOPSCOTCH dann auch von einem Geheimagenten (Matthau), der für seine eigenmächtigen Entscheidungen und seine Ignoranz gegenüber der Befehlskette aufs Abstellgleis geschoben wird. Aus Rache setzt dieser sich dann in den Kopf, seine Memoiren zu schreiben und darin alle Betriebsgeheimnisse auszuplaudern.


Dieser Plot dürfte jedem, der den letzten Coen-Film BURN AFTER READING (2008) gesehen hat, bekannt vorkommt, zumal er den Ausgangspunkt einer Komödie mit reichlich verschrobenen Figuren im Zentrum bildet. Schon die tagline des Films könnte auch als diejenige des Coen-Films fungieren: „The most dangerous man in the world. He's about to expose the CIA, the FBI, the KGB...and himself”.
Ronald Neames Film war also sicherlich eine der Inspirationen für die Coens, die als postmoderne Pasticheurs ja gerne am Rand oder in den leicht abgestandenen Reservoirs des Hollywood-Mainstreams wildern und zur Zeit der Erstaufführung von HOPSCOTCH damit begannen, in der US-Filmindustrie zu arbeiten. Was jedoch Neames Film deutlich von BURN AFTER READING unterscheidet, ist dass Matthaus Figur zwar verschroben sein mag, doch im Gegensatz zu den Trottel-Figuren der letzten Coen-Filme immer noch eine positive Identifikationsfigur bleibt. Auch geht HOPSCOTCH die bisweilen fast grausame Kälte gegenüber seinen Figuren ab, die sowohl BURN AFTER READING als auch NO COUNTRY FOR OLD MEN (2007) doch so deutlich auszeichnet, in denen Protagonisten so gänzlich sinnlos aus der Welt ausgelöscht werden, wie es nur dem sadistischsten Drehbuchautoren einfallen kann. Wenn dagegen Matthaus Ex-Agent Kapitel für Kapitel seines Aufdeckungsbuchs den wutschnaubenden ehemaligen Auftraggebern zuschickt (u. a. einem herrlich schmierigen Ned Beatty) und dabei die peinlich berührte Konkurrenz (u. a. Herbert Lom als russischer Spion) gleich mitversorgt, dann stimmt vielleicht nicht immer das Timing, aber nostalgisch-amüsant bleibt das Ganze immer. In diesem Sinn ist HOPSCOTCH gerade das richtige Kontrastprogramm zu BURN AFTER READING und dem gegenwärtig grassierenden Zynismus der Hollywood-Komödie.

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