Sonntag, 4. Januar 2009

Lakonie: Ed Harris' APPALOOSA


APPALOOSA – USA 2008 – Regie: Ed Harris – Drehbuch: Robert Knott und Ed Harris, nach einem Roman von Robert B. Parker – Produzenten: Ed Harris, Robert Knott, Ginger Sledge – Musik: Jeff Beal – Kamera: Dean Semler – Schnitt: Kathryn Himoff – Darsteller: Ed Harris (Virgil Cole), Jeremy Irons (Randall Bragg), Viggo Mortensen (Everett Hitch), Renée Zellweger (Allison French), Lance Henriksen (Ring Shelton) – Format: Scope (Panavision) – Länge: 116 min.


1882, New Mexico. Das Land ist noch wild, Recht und Gesetz werden von Town-Marshals durchgesetzt und diese sind oft nicht mehr als angeheuerte Outlaws, deren Handeln durch dubiose Verträge mit der Gemeinde legitimiert ist. Mit seinen Deputies kommt ein solcher Marshal zur Farm von Randall Bragg (Jeremy Irons). Er will zwei von Braggs Männern festnehmen. Sie hätten einen Mann erschossen und seine Frau vergewaltigt. Eigenhändig schießt Bragg die Lawmen nieder. Die verängstigten Städter von Appaloosa heuern nun einen neuen Marshal an: Virgil Cole (Ed Harris) und seinen Deputy Everett Hitch (Viggo Mortensen). Ein Genre-typischer Konflikt ist etabliert.


Regisseur/Produzent/Hauptdarsteller Harris interessiert sich jedoch nur beiläufig für ausgespielte Shoot-outs und andere Standardsequenzen des Genres. Sein Film erinnert mehr an die Spätwestern der letzten drei Dekaden: an Filme wie TOM HORN (1980), UNFORGIVEN (1992) und THE THREE BURIALS OF MELQUIADES ESTRADA (2005), oder an Fernsehserien und –filme wie LONESOME DOVE (1989), DEADWOOD (2004-06) und BROKEN TRAIL (2006) – Geschichten über wortkarge Männer, vom Land und von den Jahren gezeichnet, verschroben und knorrig, oft pragmatisch, mitunter störrisch und irrational gewalttätig. Wie die Protagonisten dieser Filme sind die Menschen in APPOLOOSA kaum gebildet. Harris’ Cole bemüht sich über den ganzen Film hinweg, ein Buch zu lesen und auch die Schilder in der Kleinstadt strotzen von Rechtschreibfehlern. Wenn Harris dasitzt, angestrengt liest und ab und an ein Stück Poesie vorträgt, dann wirkt das, als ob er beweisen will, dass er zumindest lesen kann und nicht einfach nur ein alternder Mörder ist.


Es geht in APPALOOSA auch um Entmythologisierung, ohne die das Genre heute kaum noch zu denken ist. Prototypisch dafür ist eine längere Episode im Zentrum des Films: Der Marshal und sein Deputy ziehen los, um Coles Braut (Renée Zellweger) zu befreien, die Bragg bei seiner Flucht aus der Gefangenschaft als Geisel genommen hat. Als die Verfolger ihre Gegner endlich eingeholt haben, stellen sie fest, dass sich die Frau bereits mit ihren Kidnappern amüsiert. Nachdem man sie befreit hat, nimmt man das einfach hin und kehrt zum Status quo ante zurück – was soll man auch machen; es gibt nur wenige Frauen in dieser Gegend, insbesondere solche, die Klavier spielen können. Dass sie ein Flittchen ist, ist egal: Cole hat in seinem Leben sowieso nur mit Huren geschlafen. Den Unterschied macht die Kultur – das Klavier und das Haus, das beide bauen. Bald kommt auch der Kidnapper in die Stadt zurück und auch mit ihm muss man sich nun arrangieren, denn der Mann hat seinen Einfluss in Washington spielen lassen und sich eine Begnadigung erkauft. Wenn er am Ende des Films doch in einem Duell niedergeschossen wird, dann nur weil der Deputy es nicht mehr erträgt, wie Coles Frau seinem Freund ausgerechnet mit Bragg Hörner aufsetzt. Danach zieht Hitch weiter, Cole bleibt mit seiner Frau in der Stadt. Lakonie und ein wenig Wehmut bleiben: Die Helden sind alt geworden, waren wohl auch nie Helden und ihre Zukunft ist ungewiss.


APPALOOSA ist ein schöner und ruhiger Western geworden, angenehm unaufgeregt und ohne die Anbiederung an ein junges Publikum, die insbesondere den Anfang von 3:10 TO YUMA (2007) mit dem absurd übertriebenen Massaker mit der Gatling-Gun so irritierend machte. Keine grundlegende Erneuerung, aber etwas, was selten geworden ist: ein guter Genrefilm, straigt und klar.



1 Kommentar:

Yman hat gesagt…

I saw Appaloosa on the plane and I was quite surprised by the film. Ed Harris and Viggo Mortensen are always reliable actors as is Jeremy Irons, but the sore point of the movie is Renee Zellwegger. She was bad, and it just seems to me she gets worse with every movie.

Like you, the movie reminded me of early 1990’s westerns such as Tombstone or the lesser known Quigley Down Under. Two old dogs riding into town, wanting to settled down a bit after a famous career but getting involved in a last bout for justice. But what was actually interesting about the film is the very low-key tone and profile. Harris’ character doesn’t try to make waves and is quite simple in his way of life. Mortensen’s character is expected to be flamboyant, perhaps due to his «Doc Holliday» style, but he’s also quite simple. And as far as bad guys go, Jeremy Irons is both sympathetic and unabashing, which fits Irons acting style quite well.
As for the shots themselves, they contained (perhaps this was due to the tiny screen I watched it on) very tight frames that seldom focused on the faces or provided landscapes. Was the movie shot for television? The camera work certainly gave that impression and gave the impression of 1950’s tv theatre.

My knowledge of westerns is somewhat limited but a character movie rather than a gunslingin' classic always seems more appropriate to me for this type of movie. After all, the West was about breaking the barrier, about people longing for a new life. In this sense, Appaloosa is not only spot on on but also one of the year's best surprises.