Sonntag, 30. Januar 2011

Auf Teufel komm raus …: DEVIL von John Erick Dowdle



„Devil”
(„Devil“; USA 2010; Regie: John Erick Dowdle)

Der Anfang ist wunderschön: Da fliegt Tak Fujimotos entfesselte Kamera über den Delaware River auf Philadelphia zu, setzt über die Benjamin Franklin Bridge hinweg, überfliegt Kirchen, glitzernde Glasfassaden und protzigen Hochhäuser – und dabei steht die ganze Zeit die Welt buchstäblich Kopf. Denn Fujimoto, der höchst begabte Kameramann von u.a. „The Silence of the Lambs“ („Das Schweigen der Lämmer“; 1991) hat seine Kamera um 180 Grad gekippt. Auch inhaltlich passt das, handelt „Devil“ doch von der Anwesenheit des Teufels in unserer heutigen modernen Welt. Und bekanntlich verkehrt der Herr der Fliegen ja alles in sein Gegenteil. Warum also nicht zumindest den Vorspann über die Welt verkehren, das Unterste nach oben stürzen, Himmel und Erde, Nord und Süd, Ost und West vertauschen, bis einem im dunklen Kinosaal vor der großen Scope-Leinwand ganz schwindelig wird?
Danach beginnt dann die eigentliche Handlung von „Devil“ – und alles wird auf einmal ganz konventionell, brav, fast schon bieder.

Die Handlung ist schnell erzählt: Aus dem 35. Stockwerk eines Hochhauses stürzt sich ein Mann in den Freitod. Kurz darauf bleiben fünf Menschen in einen Aufzug desselben Gebäudes stecken: der Afghanistanveteran Tony (Logan Marshall-Green), der Aushilfs-Sicherheitsmann Ben (Bokeem Woodbine), der Matratzenvertreter Vince (Geoffrey Arend), die junge Sarah (Bojana Novakovic) und eine ältere Frau (Jenny O'Hara). Alle Versuche der Techniker, den Aufzug wieder in Gang zu setzen, scheitern. Derweil werden die Eingeschlossenen einer nach dem anderen unter mysteriösen  Umständen attackiert. Bald stirbt der erste. Während von außen ein Polizist (Chris Messina) versucht, den Gefangenen zu helfen, realisieren die Eingeschlossenen, dass sich unter ihnen der Leibhaftige befindet ...

„Devil“ ist interessant, weil er ähnlich wie Rodrigo Cortés’ „Buried“ („Buried – Lebend begraben“; 2010) und Danny Boyles demnächst anlaufender „127 Hours“ eine extrem klaustrophobische Situation mit den Mitteln des Kinos und im Breitwandformat darzustellen sucht. Dabei ist Regisseur John Erick Dowdle freilich weit von der Konsequenz seiner zeitgenössischen Kollegen entfernt. Cortés etwa besaß die Chuzpe, seinen Film gänzlich in einem Sarg spielen zu lassen (und obendrein gelang es ihm, die vermutlich erste Actionsequenz zu inszenieren, die einzig in einer Holzkiste spielt). Solche selbst auferlegte Beschränkung muss einfach Gimmick und Exzess bleiben und ist von einem Mainstreamfilm wie „Devil“ kaum zu erwarten. Dowdle wählt ganz konventionell das Erzählen in parallelen Handlungssträngen: die einen da drinnen, die anderen da draußen und wir, der allwissenden Kamera sei Dank, überall. Aber immerhin gelingt es ihm, aus der unangenehmen Situation im Fahrstuhl maximales Kapital zu schlagen, auch wenn er die vielleicht größte Tortur der Gefangenen – ein tiefreligiöser mexikanischer Techniker (Jacob Vargas) traktiert die seit Stunden Eingeschlossenen mit Gebeten auf Spanisch – nicht als das inszeniert, was sie ist: eine Zumutung.

„Devil“ hat viel von den US-amerikanischen EC-Comics und der US-Fernsehserie „Twilight Zone“ aus den 1950er Jahren und ebensoviel von den Filmen M. Night Shyamalans, der hier als Produzent fungiert. Dazu zählt das christliche Moralisieren, das Wörtlichnehmen des Aberglaubens an den personifizierten Teufel, die Simplizität der Geschichte – die tatsächlich eine Stärke des Films ist – und die vielen Klischees. Natürlich hat der Polizist eine traumatische Vergangenheit, ohne die diese Sorte Film nie auskommt; natürlich sind alle fünf Opfer irgendwie auch schuld an ihrer Situation; und natürlich erkennt der mexikanischstämmige Techniker als erster das wahre Wesen der Situation – ein strukturell rassistisches Hollywoodstereotyp, das ethnischen Minderheiten prinzipiell eine Nähe zum Mystischen, Ursprünglichen unterstellt. Einzig das Happyend überrascht, erwartet man doch eher eine boshafte Schlusspointe. Mit echten „Teufelsfilmen“ wie Roman Polanskis „Rosemary’s Baby“ („Rosemaries Baby“; 1968), William Friedkins „The Exorcist“ („Der Exorzist“; 1973) oder Ti Wests „The House of the Devil“ (2009) kann und will „Devil“ es nicht aufnehmen. Eher schon mit höherem Blödsinn wie Taylor Hackfords „The Devil’s Advocate“ („Im Auftrag des Teufels“; 1997). Aber irgendwie macht der altmodische, glatte Hollywoodstil des Films dann schon wieder Spaß. Auch wenn „Devil“ eher etwas für einen vergammelten Sonntagnachmittag vor dem Fernseher ist als für einen Kinobesuch.


Dieser Text ist zuerst erschienen auf www.filmgazette.de


Devil
OT: Devil
USA 2010 - 80 min.
Regie: John Erick Dowdle - Drehbuch: Brian Nelson, M. Night Shyamalan - Produktion: Sam Mercer, M. Night Shyamalan - Kamera: Tak Fujimoto - Schnitt: Elliot Greenberg - Musik: Fernando Velázquez - Verleih: Universal - FSK: ab 16 Jahre – Darsteller/innen: Chris Messina, Logan Marshall-Green, Geoffrey Arend, Bojana Novakovic, Jenny O'Hara, Bokeem Woodbine, Jacob Vargas, Matt Craven, Josh Peace, Caroline Dhavernas - Deutscher Kinostart: 13.01.2011



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