Dienstag, 11. November 2008

Aufstieg zum Misserfolg: THE BRIDGE ON THE RIVER KWAI

THE BRIDGE ON THE RIVER KWAI
(DIE BRÜCKE AM KWAI)
David Lean
UK-USA 1957
DVD (Sony Pictures, Deutschland), Scope, OF, restaurierte Fassung
***(*)

Die letzten Worte des Films: „Madness! Madness!“ Und irgendwie beschleicht einen das Gefühl, damit sei weder der Krieg noch die Regelversessenheit der britischen Offizierskaste oder gar die Grausamkeit der japanischen Soldateska gemeint, sondern da würde auch ein wenig Selbstbezichtigung darin liegen. Leans Filmstil schien ab einem gewissen Punkt seiner Karriere nicht mehr ohne gigantischen Aufwand zu rechtfertigen. Auch hier füllt das Statistenheer als Masse den Bildkader aus, die Brücke selbst ist gigantisch, ein echter Zug muss freilich auch her für die letzte Sequenz.
Sicherlich, das ist alles brillant gefilmt, insbesondere die tiefenscharfen Totalen (70mm!), so ganz auf die große Kinoleinwand ausgelegt, dass selbst die Stars mitunter verschwindend klein erscheinen. Andererseits ist es aber auch reichlich grotesk, über eine Stunde dem heroischen Kampf eines britischen Offiziers in japanischer Kriegsgefangenschaft zu folgen, der dafür eintritt, dass britische Offiziere nicht arbeiten müssen – alle anderen seiner Soldaten aber schon. Das ist sicherlich ironisch intendiert, geht es hier doch um das sinnlose Streben zum Höheren. Der große Jean-Pierre Melville sagte einmal in einem Interview: „Es gibt immer eine Brücke am Kwai, die in der Tiefe meines Herzens ruht. Ich mag nutzlose Anstrengungen sehr. Der Aufstieg zum Mißerfolg ist eine ganz und gar menschliche Sache. […] Der Mensch geht von Erfolg zu Erfolg unentrinnbar auf sein letztes Scheitern zu.“ (in: Jean-Pierre Melville, Reihe Film Bd. 27, 1982, S. 85f.). Das ist die philosophisch-allegorische Ebene von Leans Films. Seine Zeichnung der Japaner jedoch ist, sagen wir einmal: ganz der Zeit verhaftet. Nicht, dass die Japaner hier dämonisiert werden würden. Das Problem ist vielmehr, dass sie bis auf den Ranghöchsten Colonel Saito (Sessue Hayakawa) als eine gesichtslose Masse erscheinen und grundsätzlich als inkompetent und unfähig porträtiert werden. Weder der japanische Architekt, noch die Offiziere erscheinen je auch nur ansatzweise fähig, die Brücke zu bauen. Dafür braucht es die „zivilisierten“ Briten. Die haben das nämlich in Indien gelernt. Beim Kolonisieren. Eben.

Es ist LAWRENCE OF ARABIA (1962), Leans Meisterwerk, in dem er viele Motive dieses Kriegsfilms noch einmal bearbeiten sollte und europäisch-westliche Überheblichkeit ebenso wie Motive des Kolonialismus komplexer und ambivalenter thematisieren sollte. LAWRENCE OF ARABIA ist der bessere Film, auch wenn Leans Absicht, mit BRIDGE ON THE RIVER KWAI einen ambivalenten Blick auf die internen Herrschaftsstrukturen (und den Irrsinn) des britischen Empires zu zeichnen, offensichtlich ist.

BRIDGE ON THE RIVER KWAI war nicht nur ein äußerst aufwändiger und erfolgreicher, sondern auch ein immens einflussreicher Film. So hat, um einmal ein eher ungewöhnliches Beispiel für seinen Einfluss anzuführen, Sergio Leone für IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO (1966) einige Einstellungen des Films fast exakt übernommen – natürlich für die Sequenz, in der die von Clint Eastwood und Eli Wallach gespielten Galgenvögel im US-amerikanischen Bürgerkrieg eine Brücke sprengen müssen.

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