Montag, 10. November 2008

Regression: Otto Premingers BUNNY LAKE IS MISSING

BUNNY LAKE IS MISSING

(BUNNY LAKE IST VERSCHWUNDEN)

Otto Preminger

UK 1965

DVD (Sony Pictures, USA), Scope, OF, b/w

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Robert Aldrichs WHAT EVER HAPPENED TO BABY JANE? (1962) und HUSH … HUSH, SWEET CHARLOTTE (1964), später dann die Aldrich-Produktion WHAT EVER HAPPENED TO AUNT ALICE? (1969) und Otto Premingers BUNNY LAKE IS MISSING: Die Regression von Erwachsenen unter der Bürde frühkindlicher Traumata als Trend im Kino der 60er Jahre, exemplifiziert in einer Reihe von Camp-Filmen anerkannter Regisseure. Fast alle dieser Filme sind in kontrastreichem Schwarzweiß fotografiert, nahezu von der Qualität „klassischer“ Noir-Lichtsetzung. Sie tragen weibliche Kose- oder Kindernamen im Titel und stellen Frauenfiguren ins Zentrum der Handlung, die oft von Familienangehörigen gequält und in den Wahnsinn getrieben werden. Das Melodram als Horrorshow: Melo goes Madhouse.


… BUNNY LAKE ist vielleicht der schwächste unter den angeführten Titeln, aber er ist gewiss kein schlechter Film. Zusammen mit Saul Bass’ gewohnt gutem Vorspann (eine Hand reißt die Leinwand methodisch in Fetzen) stechen insbesondere Nebenrollen und set pieces heraus. Wo Aldrich oppressive Kamerawinkel, ornamentale Bilder und harte Schnitte wählt, da ist die Kamera bei Preminger zumindest zu Beginn in fast jeder Einstellung in Bewegung: soghaft fließende, schweifende Erkundungen einer filmischen Welt, in der nur Wenig ist, was es scheint. Im Gegensatz zu Aldrich sind es nicht die staubigen oder sumpfigen Einöden Amerikas oder die adrette Fassade Suburbias, sondern das London der Swinging Sixties, in dem das moderne Schauermärchen angesiedelt ist. The Zombies machen die Musik dazu.

Aber es ist nicht London, von dem wir ganz touristisch Big Ben und Piccadilly Circus sehen, sondern die Innenräume, die dem Film seine eigentliche Kraft geben. Die Kindertagesstätte: hell, aber dubios; die Kammern einer hexenhaften Alten darüber; der aufdringliche Nachbar (herausragend schmierig: Noel Coward) in seiner höhlenhaften Behausung, umgeben von einer Sammlung afrikanischer Masken, Peitschen und Schädel – die beiden letzteren angeblich vom Marquis De Sade höchstselbst. Später dann ein Raum voller Tieren in Käfigen, ein geradezu barockes britisches Pub, eine Puppenklinik mit einem wunderlichen Alten und ein Krankenhaus mit langen Schatten und einem dunklen Keller voller dröhnender Maschinen. Ganz am Ende entführt uns Preminger in einen nächtlichen Garten, in dem Erwachsene auf Schaukeln schwingen, Verstecken spielen und ganz reale Gräber ausheben. Was bei Aldrich zum Grand Dame Guignol oder Southern Gothic wird, ist bei Preminger vor allem die Erwachsenenwelt mit Kinderaugen gesehen. Das erscheint schlussendlich, obwohl im Finale fast lächerlich campy überzogen, durchaus konsequent.



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